Das Forum 1.5 - Gemeinsam Klimaschutzideen entwickeln
Elena Michel (M.Sc. Stadt- und Regionalforschung, M.Sc. Global Change Ecology) - Prof. Dr. Manfred Miosga, Projektleitung; Professur für Stadt- und Regionalentwicklung - Julia Marx (M.Sc. Global Change Ecology)
Die Idee des forum1.5 entstand aus der Abteilung für Stadt- und Regionalentwicklung der Universität Bayreuth unter der Leitung von Prof. Dr. Manfred Miosga. Seit 2017 wurde eine Nachhaltigkeitsplattform aufgebaut, die einen Austausch zwischen Wissenschaft, Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik ermöglicht. Das Ziel ist es, möglichst viele Akteur:innen aus der Region Bayreuth und Oberfranken zusammen zu bringen und gemeinsam an Ideen für den Klimaschutz zu arbeiten. Zweimal im Jahr richten wir für die Region Veranstaltungen aus, um dort Erfahrungen auszutauschen, Wissen weiterzugeben und Inspiration für neue Ideen zu sammeln, wie eine nachhaltige Zukunft in Bayreuth und Oberfranken aussehen kann.
Was war das ausschlaggebende Ereignis und die Motivation zur Gründungsidee?
Das ausschlaggebende Ereignis war das Pariser Klimaabkommen aus dem Jahr 2015, welches den Anstieg der weltweiten Durchschnittstemperatur auf unter 1.5°C gegenüber vorindustriellen Werten beschränken möchte. Damit diese Grenze nicht überschritten wird, muss jede Region einen Beitrag leisten, auch Oberfranken. Zusätzlich zu neuen Regeln, technischen Innovationen und veränderten Gesetzen bedarf es einen umfassenden kulturellen Wandel, an dem alle beteiligt sind: Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
Die Motivation für das Forschungsprojekt ist vielfältig, aber vor allem ist es nötig, dass Wissenschaft nicht mehr nur von außen auf Ereignisse blickt, sondern das generierte Wissen auch mit in die Umgebung trägt und in sie hineinwirkt. Zeitgleich haben alle Mitwirkenden eine hohe persönliche Motivation den Wandel in Bayreuth und der Region Oberfranken in den verschiedenen Themenfelder voranzutreiben.
Was ist die Vision des forum1.5 und wie sehen die nächsten Schritte aus?
Unsere Vision haben wir in unserer Charta festgehalten. Darin wird aufgezeigt, dass in allen Sektoren Wandel erforderlich und dieser umsetzbar ist, wenn wir uns der Verantwortung stellen, die Zukunft unserer Region aktiv mitzugestalten. „Wir wollen ein gerechtes und inklusives Miteinander auf der Basis der Gleichheit und Würde der Menschen. Wir wollen in einer Welt ohne Armut leben, in der Teilhabe für alle möglich ist. Wir wollen so wirtschaften, dass der Naturhaushalt, den wir uns mit anderen Lebewesen teilen, profitiert und unser Wirtschaften die Grenzen der Ökosysteme nicht überschreitet.“ Mit dem forum1.5 wollen wir erreichen, dass die Region um Bayreuth sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung in Bezug auf Klimaschutz und Nachhaltigkeitsziele annimmt und hinsichtlich der bewussten Gestaltung der Transformationsprozesse vor Ort und in der Region eine Vorreiterrolle einnimmt.
Ein nächster Schritt ist die Gründung des Fördervereins forum1.5 am 17. September 2021. Mit dieser Gründung möchten wir die Infrastruktur des forum1.5 unterstützen und den Gedanken eines regionalen Wandelnetzwerks mit unterstützender Funktion für neue innovative, sozial gerechte und ökologisch zukunftsfähige Projekte und Konzepte weiterverfolgen. Das Forschungsprojekt RegioTransform_Konsol soll parallel auf Basis der bisherigen Erkenntnisse und unter den neuen post-pandemischen Bedingungen die notwendigen Voraussetzungen untersuchen, die es ermöglichen, die Transformationsplattform langfristig und robust in Kommune und Region zu etablieren, möglichst breit bei Entscheidungsträger:innen und in den Zielgruppen zu verankern und langfristig eine selbsttragende institutionelle Grundlage aufzubauen.
Welche Gründungs-Erfahrungen und –Weisheiten können Sie an Interessierte (v. a. Studierende) weitergeben?
An die eigene Vision glauben! Immer wieder darüber sprechen, um Gleichgesinnte damit anzustecken und viel Wert auf ein gutes, sich unterstützendes Team legen. Dazu gehört insbesondere das Erreichte zu feiern und die Wertschätzung füreinander immer wieder auszusprechen und deutlich zu machen. Das gilt insbesondere auch für die Wertschätzung der eigenen Arbeit. In diesen komplexen, brennenden Zeiten gibt es Kraft aus der Ruhe heraus zu handeln und mit klarem Kopf, offenem Herz und gestaltungswilligen Händen Entscheidungen zu treffen. Es gibt in Bayreuth und der Region eine Vielzahl an Menschen, die bereit sind, aktuelle und wichtige Herausforderungen anzunehmen. Es werden neue unternehmerische Wege gegangen, mutige politische Entscheidungen getroffen oder zivilgesellschaftliches Engagement gezeigt. Das forum1.5 will eine Plattform sein, um erfolgreiche Geschichten des Wandels erzählen zu können und sichtbar zu machen. Die gegenseitige Sichtbarkeit bestärkt von innen, ermöglicht miteinander kreativ in Kontakt zu treten und gemeinsam neue Pfade zu beschreiten. Die Zusammenkunft strahlt andererseits nach außen, erzeugt positive Visionen und macht Mut, sich der Veränderung zu öffnen – auf politischer, unternehmerischer, wissenschaftlicher, gemeinschaftlicher wie auch auf individueller Ebene.
Was waren die größten Hürden und wie haben Sie diese gemeistert?
Für uns als Netzwerkplattform war die Corona-Pandemie und die damit einhergehende Digitalisierung unserer Veranstaltungen definitiv eine Herausforderung. Das Austauschen über die eigenen Nachhaltigkeitsaktivitäten, mit unbekannten zufällig ins Gespräch kommen, beim lockeren Zusammenstehen plötzlich neue Projektideen zu entwickeln wurde in den Zoom-Veranstaltungen deutlich schwieriger. Außerdem mussten wir als Veranstalter selbst vieles neu dazulernen. Insbesondere als wir im Herbst 2020 von einem Tag auf den anderen durch die gestiegenen Fallzahlen unsere Präsenzveranstaltungen der Wandelwoche in Onlineformate überführen mussten. So haben wir gelernt, wie flexibel und lerndynamisch wir als Team sind und, dass wir es gemeinsam schaffen auch kurzfristig Krisen zu meistern.
Gleichzeitig waren die Onlineformate sehr niederschwellig, sodass wir an Reichweite und Sichtbarkeit auch außerhalb der üblichen Bayreuther Nachhaltigkeitspioniere gewonnen haben. Inzwischen sind wir überzeugt und bieten hybride Veranstaltungsmodelle.
Darüber hinaus stehen wir als nicht-kommerzielles und teilweise ehrenamtliches Netzwerk immer vor den Herausforderungen einer langfristigen und stabilen Grundfinanzierung. Damit verbunden sind vielfältige Problemstellungen wie kurze Planungshorizonte, Schnittstellen zwischen Haupt- und Ehrenamt und damit verbundene Zeithorizonte sowie teilweise unklare Zuständigkeiten und Parallelstrukturen in den Arbeitsstrukturen. Dies hat durch persönliches Engagement und viel teaminterne Toleranz vor den Auswirkungen der Corona-Pandemie gut funktioniert – im digitalen Raum ist dies schwieriger. Die Wichtigkeit von Begegnung, Austausch und gemeinsamem Verständnis für die Arbeit in einem Netzwerk ist elementar und soll nun in den Post-Corona-Zeiten mit im Vordergrund stehen.
Wie hilfreich war/ist ein Netzwerk für ihre Gründung?
Für unser Forschungsprojekt ist ein regionales Netzwerk essenziell, denn nur so können wir gemeinsam an der Einhaltung der 1.5°C-Grenze arbeiten. Der Aufbau des Netzwerks fand vor allem über die halbjährlichen Veranstaltungen statt, bei denen verschiedene Personen, die einerseits bereits in Bayreuth aktiv waren und andererseits neue Räume gesucht haben, zusammengekommen sind und an dem gleichen Ziel gearbeitet haben. In den speziellen Themenfeldern Ernährung, Wohnen und Mobilität wurde ein vertieftes Netzwerk mit wichtigen Stakeholdern der Region aufgebaut und stetig erweitert. Insgesamt entwickelt das forum1.5 selbst eine effiziente und konstruktive Organisationsform, die sich aus sektoralen Workshops und Seminaren, inhaltlich agierenden Arbeitsgruppen, kreativen Querschnittsformaten und einer koordinierenden Serviceeinheit zusammensetzt. Durch die Verknüpfung von innovativen Projekten, neuen Wirtschaftsformen und der Ausschöpfung politischer Spielräume können konkrete Maßnahmen entwickelt werden, zum Beispiel der Aufbau regionaler Wertschöpfungskreisläufe, eine Umgestaltung der Mobilität oder eine solidarische, regionale und ökologische Lebensmittelversorgung. Außerdem werden maßgeschneiderte Strategien zur Reduktion des ökologischen Fußabdrucks auf unterschiedlichen Ebenen entworfen.
Gab es Angebote der Uni die Ihnen weitergeholfen haben? – Welche hätten Sie sich noch gewünscht?
Beratung und Wissenstransfer: Existierenden Projekten, Initiativen und Personen, welche im Bereich des sozial-ökologischen Wandels engagiert sind, fehlt es oftmals an relevantem „Fach“-Wissen über Rechtsformen, Betriebswirtschaft und politischen Entscheidungsabläufen. Beratungsangebote vonseiten der Universität und vereinfachte Austauschmöglichkeiten zwischen einzelnen Fachbereichen würde in Bayreuth eine wertvolle Multiplikatorfunktion einnehmen.
Beratung für gute, zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit: Damit sowohl die Nachhaltigkeitsplattform forum1.5 als auch daraus entstehende Projekte gut und sichtbar funktionieren können, braucht es eine zielführende Öffentlichkeitsarbeit. Eine Unterstützung wäre hilfreich, wenn es einerseits um klassische Pressearbeit, aber andererseits um praktische Dinge wie Erstellung von Social-Media Content und Infomaterialien geht.
Unbürokratischer Nachhaltigkeits-Fördertopf: Viele Ideen und Projekte brauchen lediglich geringe finanzielle Mittel und können durch geringfügige Unterstützungen und Wertschätzung vonseiten der Universität wertvolle Ideen und Projekte anstoßen. Der aktuell notwendige bürokratische Aufwand stellt insbesondere Studierende vor (zu) große Herausforderungen, um Ideen kreativ und unkompliziert auszuprobieren und damit nachhaltige Prozesse anzustoßen.
Was bedeutet Nachhaltigkeit für das forum1.5?
Das Pariser Ziel, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist für uns namensgebend und zeigt den Anspruch auf, tiefgreifende Veränderungsprozesse zu initiieren, um weitere Risiken im Zuge der Klimakrise zu vermeiden. Der Ansatz geht jedoch deutlich über die Treibhausgasreduktion hinaus. So sind die 17 UN- Nachhaltigkeitsziele (SDG’s) für eine sozial-gerechte und solidarische Transformation im Sinne einer starken Nachhaltigkeit handlungsleitend. Wir wollen ein gerechtes und inklusives Miteinander auf der Basis der Gleichheit und Würde der Menschen. Wir wollen in einer Welt ohne Armut leben, in der Teilhabe für alle möglich ist. Wir wollen so wirtschaften, dass der Naturhaushalt, den wir uns mit anderen Lebewesen teilen, profitiert und unser Wirtschaften die Grenzen der Ökosysteme nicht überschreitet. Das forum1.5 wirkt vor Ort und in der Region. Es bringt Menschen aus den Kommunen, der Zivilgesellschaft, der Wirtschaft und der Wissenschaft zusammen, um an konkreten Strategien und Projekten für den Wandel in der Region zu arbeiten. Gleichzeitig spricht es uns alle als Mensch an.
Was sind die Top 3 Nachhaltigkeitstipps des forum1.5?
Nachdem die „klassischen“ Tipps wie weniger Autofahren, weniger Fleisch essen und nicht fliegen schon weitestgehend bekannt sind, haben wir vom forum1.5 andere Tipps zur Nachhaltigkeit:
- Innehalten, die eigene Energie sinnvoll zur persönlichen Transformation nutzen, um diese dann nach außen tragen zu können.
- Vom Wissen ins notwendige Handeln kommen.
- Komm zur Wandelwoche und spüre, dass wir schon mitten im Wandel sind.
Wir bedanken uns für die tollen Einblicke! Wenn ihr nun Interesse habt, ebenfalls gesellschaftliche Herausforderungen anzugehen, dann besucht doch mal unsere Juniorprofessur Social Entrepreneurship!
Der neugewählte Vorstand des Fördervereins forum1.5 - hinten links nach rechts: Dagmar Keis-Lechner, Prof. Dr. Manfred Miosga, Janis Schiffner, Lena Roth (Vorstand) vorne links nach rechts: Stefan Wladarsch, Prof. Dr. Susanne Tittlbach, David Kienle, Markus Spona, Julia Marx (erweiterter Vorstand)